Lucca, die Zweite. Vom lucchesischen Opernsänger zum überfüllten Strand

Inzwischen bin schon fast 5 Wochen in Lucca und habe 4 Arbeitswochen hinter mir. Gefühlt habe ich eigentlich ohne Ende gearbeitet. Ich bin aufgestanden, habe meinen Cappuccino und mein Cornetto, ein Croissant mit Aprikosenmarmelade, in meiner Lieblingsbar getrunken und ein bisschen mit Elena, der Barkeeperin, gequatscht. Dann bin ich zur Arbeit geradelt. In meiner Pause habe ich meistens auf der Stadtmauer gelegen und mich entspannt, anschließend wieder bis Mitternacht gearbeitet. Da war keine Energie mehr für irgendetwas anderes, abends kein Weinchen, keine anderen Leute getroffen, keine Entspannung. Eher Müdigkeit von morgens bis abends.

Deshalb habe ich vor ein paar Tagen mit meinem Chef gesprochen und ihn gefragt, ob ich weniger arbeiten kann. Ich habe darüber eine ganze Weile nachgedacht, weil ich befürchtete, dass er sich jemand anderen suchen würde, der durcharbeiten will. Aber nein, dem war nicht so! Schon am darauffolgenden Tag hat er mir eine Lösung angeboten: Ich arbeite jetzt von Dienstag bis Freitag so wie bisher, Samstag und Sonntag, allerdings nur von 19:00 Uhr bis Mitternacht. Montags ist das  Restaurant zu, da habe ich sowieso frei.

So langsam komme ich hier immer mehr an: Ich kenne schon einige der Leute, die mir tagtäglich über den Weg laufen: Da ist der alteingesessene Luccheser, der früher in Restaurants gesungen und nicht mehr damit aufgehört hat (jeder in der Stadt kennt ihn), der indische Rosenverkäufer, der mir immer mal wieder eine seiner Rosen schenkt, die zwei Mädels in meinem Alter und die immer nur im Doppelpack durch die Gegend laufen. Alle kommen sie immer wieder am Restaurant vorbei. Mit manchen rede ich mehr, mit anderen weniger. Aber es ist ein schönes Gefühl, dass ich nicht mehr vollkommen unbekannt bin. Die Arbeit macht immer mehr Spaß, ich habe nicht mehr die Angst, ständig irgendetwas falsch zu machen. Ich kenne die Abläufe, die Gerichte und die anderen Mitarbeiter immer besser, ich kann Gästen bestimmte Gerichte empfehlen und erklären, wie sie zubereitet werden. Die Chefin kocht mir täglich ein ganz wundervolles Essen, wenn meine Pause beginnt. Jeden Tag fragt sie: „Ronja, was kann ich dir heute kochen?“

Während des Tages wird, je nach Stresslevel der Köchinnen, aus der Küche gerufen: Ronjaaaaa, Amore (Liebste), cara (meine Liebe) oder auch vaiiiiii („komm schon!“ oder „geeeeeh jetzt, schnell, schnell“), wenn Gerichte fertig gekocht sind. Dazwischen gibt’s aber auch noch etliche Abstufungen. Die Gäste sind eigentlich alle nett, es herrscht Urlaubsstimmung. Es ist und bleibt aber einfach sehr komisch, dass ich manche von ihnen fast jeden Tag ihres Urlaubs sehe und mich viel mit ihnen unterhalte und sie dann plötzlich nie wieder sehe. Es kommen andere. Und wieder andere… Und immer wieder sind super liebe neue Leute dabei.

Ein paar Blümchen auf der Stadtmauer

Und die Italiener sind einfach so stilvoll. Natürlich gibt’s auch hier Ausnahmen, aber hauptsächlich sehe ich wunderschöne Frauen und gut aussehende, stilsichere Männer. Vom stadtbekannten Anwalt bis zur Restaurantbesitzerin, vom Friseur bis zur Eisverkäuferin.

Ein paar Orientierungsprobleme habe ich in dieser kleinen Stadt, mit ihren tausend Gässchen allerdings immer noch. Es gibt beispielsweise einen kleinen Supermarkt innerhalb der Stadtmauer, den finde ich eigentlich nie auf Anhieb. Immer wieder entdecke ich eine neue Gasse, die ich entlanggehen will, die mich dann aber meistens in eine völlig andere Richtung und nicht zum ursprünglichen Ziel lenkt.

Montags war ich schon am Strand von Viareggio, aber ich habe nicht einmal ein Foto gemacht: Liege an Liege, Schirm an Schirm- wie die Sardienen liegen die Touris an diesem extrem breiten und ewig langen Strand. Nicht schön. Auch das Wasser ist nicht besonders klar und tief ist es auch nicht. Gestern war ich mit Jayne, einer lieben Engländerin, die öfter Gast im Restaurant war und mit der ich mich sehr gut verstehe, in der Cinque Terre. In einer Stadt, die Monterosso heißt. Hier war es noch voller. Es ist eine sehr beliebte Urlaubsgegend. Sonntag ist definitiv der falsche Tag für einen Tag am Meer. Egal wo.

Das Wetter ist fantastisch. Es gab in den letzten Tagen immer wieder ein paar Gewitter, die sehr gut tun und die Luft ein bisschen abkühlen. Die nächste Woche sieht wieder nach purem Sonnenschein aus, es sollen teilweise 40° werden. Davor habe ich gerade an Arbeitstagen ein bisschen Schiss…

Ich habe auch ein neues Fahrrad, es ist im Vergleich zum Alten einfach nur himmlisch! Im Laufe der letzten Wochen ist die Achse vom Hinterrad fast durchgebrochen. Scheiß Teil. Die Reperatur hätte zwar „nur“ 20€ gekostet, aber das Rad war einfach in einem so schlechten Zustand, dass ich es nur noch loswerden wollte. Jetzt habe ich mir eins von einem Fahrradverleih „geliehen“. Ich habe 100€ Pfand gezahlt, werde aber das meiste davon wiederbekommen. Hoffe ich. Italienische Geschäfte…

Sprachlich wird es auch immer besser. Ich habe zwar oft das Gefühl, dass ich nur wenig gelernt habe, aber zwischendurch merke ich immer wieder, dass sich doch schon einiges verändert hat. Italienische Gäste bediene ich inzwischen alleine, ich muss nicht mehr nach der Hilfe vom Capo, meinem Chef Michele, fragen und versteh viel mehr, wenn ich mit den Leuten aus dem Restaurant rede und auch mit anderen rede. Noch lange nicht alles, aber es wird immer besser! Das Sprechen ist immer noch nicht einfach, aber auch das wird immer besser und selbstverständlicher.

Heute war ich ganz fantastisch essen! Ich habe mit einem Salat mit Meeresfrüchten angefangen und  bin dann gleich zum Dessert gesprungen. Es gab ein Zuccotto, ein typisch toskanisches Dessert, aus   Kuchenteig und einer Creme oder auch Eis. Zum Nachtischnachtisch gabs dann einen „Caffe“, einen Espresso, und noch einen Limoncello vom Hause.

Es geht mir ziemlich gut, besonders die neue Lösung meiner Arbeitszeiten, lässt mich noch mehr Italien erleben und ein bisschen Zeit für Entspannung und das schöne „dolce vita“.

Vor ein paar Wochen fand ein großes Jazzfestival in Lucca statt. Ich habe ein kleines Video gedreht, um die Atmosphäre am größten Platz der Stadt einzufangen. Das Gewitter im Hintergrund hat eine besondere Atmosphäre gezaubert.

Liebste Grüße,

Ronja