Für mich ist es eigentlich kaum zu glauben, dass ich tatsächlich immer wieder was Neues zu erzählen habe. Es ist irgendwie immer was los. Keine kleinen Änderungen, kein abgebrochener Findernagel, sondern Dinge, die für mich wirklich bedeutsam sind.
Ich fang wieder vorne an: Die letzten Tage mit Jayne in Ostuni waren super entspannt und kulinarisch einwandfrei. Ich habe in einem Restaurant, in irgendeinem winzig kleinen Putzeldorf, das ich uns rausgesucht habe, die besten Spaghetti alle Vongole meines Lebens gegessen. Danach gabs noch Sepia, der war leider weniger gut. Vor allem, weil ich ihn schon abbestellte, als der enorm große Spaghettiteller in mein Blickfeld rückte, den der Kellner mir schließlich vor die Nase setzte. Tja, der Sepia kam trotzdem, weil der Kellner meinte, dass er schon mariniert gewesen wäre, als ich ihn abbestellte. Komisch nur, dass er überhaupt nicht mariniert bei mir angekommen ist. Naja, wie auch immer. Die Spaghetti waren umwerfend. Die Suche nach guten Cafés und Restaurants hab ich ziemlich sicher von meinem Vater (An dieser Stelle: Hallo Papa!). Egal wie weit es entfernt ist: Wenn es fantastisch zu sein scheint, muss ich da hin und nehme meine Begleitung mit, ob sie will oder nicht (Das kennst du Mama, oder?). Die Empfehlungen habe ich von der Internetseite ‚Tripadvisor’, auf der man Bewertungen von anderen Leuten durchlesen kann, die sich manchmal überschlagen vor Lobeshymnen. Aber so ganz das Richtige ist die Seite dann doch nicht, weil diese extrem guten Bewertungen einfach eine extrem hohe Erwartung zur Folge haben. Wenn die dann nicht erfüllt werden kann (siehe Sepia), bin ich enttäuscht und das zieht den ganzen Restaurantbesuch runter. Also werde ich mich in der nächsten Zeit eher an den Tips der Einheimischen orientieren und nicht an einer Internetseite, an der sich hauptsächlich Touris verewigen, und mich ein bisschen überraschen lassen.
Der Abschied von Jayne war dann ganz schön traurig. Sie ist inzwischen wieder in England, ihrer Heimat angekommen. Sie war die Person, die mir fast die ganze Zeit meines Aufenthalts zur Seite stand, obwohl wir zwischendurch eigentlich garkeinen Kontakt hatten, hatte ich immer das Gefühl, das da jemand (mehr oder weniger) in dder Nähe ist. Sie hat sowohl eine Mutterrolle, als auch eine Freundinnenrolle eingenommen. Kurz hab ich sogar überlegt, ob ich wieder zurück nach Deutschland kommen soll. Die Reise erschien mir irgendwie nicht mehr richtig vollständig. Aber dann war ganz deutlich zu spüren,, dass ein neuer Schritt ansteht, den ich gehen wollte. Wenn ich dem Gefühl nicht gefolgt wäre, wenn ich nicht zurück nach Lucca gekommen wäre, dann hätte da was ganz gewaltig nicht gestimmt: Es war ein neuer Schritt in die Unabhängigkeit.
Nach Ostuni habe ich Sara, eine italienische Freundin, bei ihrer Familie besucht. Das war sehr schön! Mal so richtig italienisches Leben. Die Mama hat ganz wunderbar gekocht und das ganze Familienleben und die Meinungen von „richtigen“ Italienern fand ich einfach wahnsinnig spannend: „So machen wir das, aber so machen das die anderen, wie macht ihr das in Deutschland?!“. Da sind schon gewaltige kulturelle Unterschiede, die ich, auch in meinem lucchesischen Leben, nicht vom zusehen mitbekomme und darüber zu sprechen fand ich einfach super. Ich hab immer wieder nachgefragt, was dieses und jenes Verhalten bei Italienern zu bedeutet hat, aber ganz besonders interessiert mich immer noch die Gestik. Italiener kann man schon fast ohne Sprache verstehen, weil sie einfach so wahnsinnig viel gestikulieren. Aber dabei können schon die kleinsten Bewegungen ein Stück zu viel sein und ein „ich versteh nicht, was du mir sagen willst“, in ein „was willst du Idiot eigentlich von mir?!“. Deshalb bin ich mit dem Nachmachen noch ein bisschen vorsichtiger… Ahhahaaaa. Wir sind mit Saras Freundinnen unterwegs gewesen und mit ihrer Mutter und der Freundin ihres Bruders ans Meer gefahren.
Teilweise habe ich immer mal wieder weggehört, weil das ständige zuhören und sprechen mit der Zeit ganz schön anstrengend wurde, weil ich so viel nachdenken musste, um zu verstehen, was sie sagten. Aber dadurch hab ich auch ziemlich viel gelernt. Manchmal ist es auch so, dass mir jemand irgendwas sag, ich einfach irgendwas, was zu passen scheint antworte oder nur Nicke. Der Satz geht mir dann noch eine Weile durch den Kopf und irgendwann macht es „Klick“ und ich verstehe, was gesagt wurde. Dumm nur, dass das dann schon viel zu lange her ist, um tatsächlich zu antworten.
Auf der Zugfahrt nach Lucca habe ich Bianca kennengelernt. Eine Berlinerin, die mir so ähnlich war, dass es schon fast unheimlich war Wir haben uns in den drei Stunden, die wir im gleichen Zug saßen, ohne Punkt und Komma unterhalten und uns gegenseitig ziemlich weiter geholfen. Mit ihr habe ich auch überlegt, wie ich weiter mache in Lucca. Wie ich noch mehr junge Leute kennenlerne, wie ich am besten den neuen Job finde, usw. Das hat richtig gut getan!
Dann stand die Rückkehr nach Lucca an, die mich ziemlich unruhig machte und auch Angst verursachte. „Was mache ich, wenn ich keinen Job finde“, „Muss ich nach Hause fahren“, „Fallen meine ganzen Reisepläne für den Oktober ins Wasser?!“. Viele Fragen, viele Unsicherheiten. Donnerstag Morgen, einen Tag nach meiner Ankunft, hab ich mich überwunden, 20 Lebensläufe ausgedruckt und bin in sämtliche Cafes und Restaurants gegangen, die mir unter die Augen kamen. Der Anfang war ziemlich unangenehm. In den meisten wurde auch überhaupt kein Personal gesucht und ich hab den Lebenslauf garnicht erst abgegeben. Insgesamt bin ich mit 3 Lebensläufen zurückgekommen, die Restaurants hab ich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr mitgezählt, weil viele Absagen schon kamen, bevor ich mich richtig vorgestellt habe.
Und es meldeten sich am gleichen Nachmittag tatsächlich 3 Restaurants per Telefon. Auch eines meiner Lieblingsrestaurants war dabei, das Vorstellungsgespräch fand nach am selben Abend statt. Es ist ein schönes Restaurant mit gutem Essen und es arbeiten nur junge Leute da. Den Chef würde ich auf 35 schätzen. Und ich würde 7€/h verdienen, also einfach mal fast doppelt so viel, wie im anderen Restaurant! Ergebnis des Gesprächs: Ich kann gerne zum Probearbeiten kommen. Dann sagen sie mir, ob ich weiter machen kann. Es gibt allerdings noch ein paar Unklarheiten mit meiner Steuernummer, aber das kläre ich hoffentlich Montag. Meine Italienischkenntnisse sollten für den Job ausreichen. Whooooop. Und ich bin so glücklich!
Mit dem italienisch geht’s insgesamt auch immer weiter voran, wenn auch langsam. Aber ich rede auch einfach mehr drauf los. Am Donnerstag habe ich beim Mittagessen neben einem italienischen Paar gesessen mit dem ich mich total nett unterhalten habe und wenn ich angesprochen werde, bekomm ich auch Sätze zusammen, ohne vor mich hinzustammeln und vor Scham im Boden zu versinken. Da ist auch noch eine Sache, mit der ich immer besser klarkomme. Männer betreffend. Nein, nicht junge Männer betreffend, sondern ältere. Die haben nämlich 0 Probleme mich anzusprechen. Ich habe auch schon von einem geschätzt 80 jährigen eine Einladung zum Café bekommen. Anfangs war ich mit diesen „Anmachen“ überfordert und irgendwie völlig irritiert: „Der Opa kann mich doch jetzt nicht im Ernst fragen, ob ich mich mit ihm treffen will!?“. Aber inzwischen seh ich das lockerer und geh nicht gleich (und eher deutsch) von einer unangenehmen Anmache aus: Auch, wenn ich noch keinen Caffe mit ihm oder anderen Oppis getrunken habe, ist das eher eine Art Spiel… glaub ich zumindest. Es geht um Kommunikation, mir zumindest. Alles andere ist mir auch egal. Inzwischen halte ich Pläuschchen mit Paulo, Giacomo, Andrea und Co (allesamt 50+), die mir auch immer wieder ganz interessante Sachen erzählen. Das ist recht unterhaltsam.
Da gabs am Freitag auch so eine Situation mit einem Chef eines Restaurants, indem ich mich beworben habe. Wir haben uns kurz hingesetzt und über die Arbeit gesprochen, dann sind wir so verblieben, dass er sich bei mir melden wird. Das hat er auch getan und mich gleichzeitig nach einem Treffen zum Caffe trinken gefragt. Das hat mich dann doch wieder verwirrt. „Was will der denn jetzt? …nur Caffe trinken?!“ Ich hab gleich Sara, meine italienische Freundin gefragt, was sie davon halten würde. In der Zwischenzeit habe ich ihm dann aber doch freundlich abgesagt. Sie meinte dann, dass ich nicht hätte absagen sollen, weil das in Italien üblich wäre, sich nochmal bei einem Caffe über alles zu unterhalten. Ich hatte ihr allerdings noch nicht erzählt, dass wir das schon im Restaurant gemacht hatten. Als sie das dann wusste, meinte sie auch, dass ein erneutes Treffen zum Caffe dann doch zu viel wäre. Ich habe ziemlich unterschätzt, wie wichtig und kompliziert diese ganzen kulturellen Unterschiede, die ich auch vorhin schon mal angesprochen habe, sind. Ohne Sara wäre ich echt aufgeschmissen, gerade weil sie auch den Unterschied zu Deutschland kennt, weil sie in Berlin wohnt. Die Italiener hier können mir das nicht so richtig erklären, weil sie diesen nicht kennen!
Am Freitagabend war ich dann noch mit Mini im Freiluftkino, was direkt gegenüber von meiner Wohnung ist. Wir haben einen Film mit einem sehr ehrgeizigen Schlagzeugspieler gesehen. Es ging um seine Karriere in einer sehr guten Band und viele Rückschläge und seine xtreme Disziplin, sein extremes Durchhaltevermögen. Das war einer der besten Filme, die ich je gesehen habe. Mein Saxophon fehlt mir jetzt inzwischen auch wieder. Es war schön, wieder an meine Bandzeit erinnert zu werden, auch wenn man diese in keinster Form mit der im Film vergleichen kann. Gott sei Dank. Die Musik war einfach schön und der ganze Abend drum herum: Wir haben uns vorher eine Pizza, Bier und Süßigkeiten geholt und uns dann hinter alle Stühle ins Gras gesetzt.
Das wars dann erstmal wieder.
Liebste Grüße,
Ronja